Papiertrinkhalme – Die unbedenkliche Alternative zu Kunststoff?

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CVUA Stuttgart (Magdalena Köhler, Lydia Richter):

Epichlorhydrinharz wird bei der Produktion von Papier als Nassverfestigungsmittel eingesetzt. Hieraus können im Verarbeitungsprozess Kontaminanten, sogenannte Chlorpropanole entstehen, die auch in Lebensmittelkontaktmaterialien aus Papier, wie z.B. Papiertrinkhalmen, nachgewiesen werden können. 3-Monochlorpropandiol (3-MCPD) ist der prominenteste Vertreter der Chlorpropanole. Nachgewiesen wurde er bereits 2007 in raffinierten Pflanzenfetten. Unsere Untersuchungen haben ergeben: fast die Hälfte der von uns untersuchten Trinkhalme (6 von 13 Proben) wiesen zum Teil beträchtliche Mengen an 3-MCPD auf.

 

Was sind Chlorpropanole?

3-Monochlorpropandiol (3-MCPD) und 1,3-Dichlor-2-Propanol (1,3-DCP) werden den Chlorpropanolen zugerechnet. Kennzeichnend für diese Substanzgruppe ist, dass sie ein Glycerin-Grundgerüst aufweisen, bei dem eine Hydroxylgruppe durch ein Chloratom ersetzt ist. Bei 3-MCPD befindet sich das Chloratom an Position 3.

3-MCPD und 1,3-DCP sind prozessbedingte Kontaminanten in Lebensmitteln, die ein gesundheitsschädigendes Potential aufweisen und daher in Lebensmitteln unerwünscht sind. Erstmals wurden 3-MCPD-Fettsäureester in raffinierten Pflanzenfetten 2007 nachgewiesen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte seitdem mehrfach, zuletzt im Jahre 2012, gesundheitliche Risiken durch diese prozessbedingten Kontaminanten in Lebensmitteln bewertet [1] [2]. In ihrer aktualisierten Bewertung kommt die EFSA zu dem Schluss, dass 3-MCPD Nieren und Hoden schädigt [3].

1,3-DCP weist u.a. leber- und nierentoxische Effekte auf und zeigt im Tierversuch kanzerogenes Potential [4].

 

Vorkommen von Chlorpropanolen

In stark geröstetem Toastbrot, in Sojasaucen und in der Rinde von Brot wurden diese Substanzen nachgewiesen. Das freie Chlorpropanol 3-Monochlorpropandiol (3-MCPD) kann entstehen, wenn fett- und gleichzeitig salzhaltige Lebensmittel bei der Verarbeitung oder Herstellung hohen Temperaturen ausgesetzt werden. Die estergebundenen Formen, also 3-MCPD- sowie Glycidyl-Fettsäureester, entstehen vor allem bei der Raffination pflanzlicher Fette und Öle, d. h. raffinierte Speiseöle und Speisefette enthalten daher 3-MCPD- in zum Teil erheblichen Mengen [1], während naturbelassene (native) Speiseöle und -fette kaum belastet sind.

 

Verwendung von Chlorpropanolen

Da im Zuge der EU-Kunststoffstrategie zur Eliminierung von Einwegplastik immer mehr Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff durch Papieralternativen ersetzt werden, ist davon auszugehen, dass die Verbreitung von Einwegartikeln aus Papier weiter zunehmen wird.

Der Vorteil des einfachen Recyclings bzw. der biologischen Abbaubarkeit von Papierprodukten ist gleichzeitig ein Nachteil, wenn es darum geht ähnlich stabile Gegenstände für den wässrigen Lebensmittelkontakt herzustellen, wie man sie von den Eigenschaften von Kunststoffen gewohnt ist.

Polypropylen oder Polystyrol, die häufig für Einweggeschirr verwendet werden, sind nicht in Wasser löslich. Das hat den Vorteil, dass feuchte Lebensmittel das Material nicht durchweichen und die Stabilität gewährleistet bleibt. Das hat den Nachteil, dass diese Gegenstände, wenn sie in die Umwelt gelangen (beispielsweise ins Meer) nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden.

Papier, welches aus vielen kleinen Cellulosefasern besteht, löst sich hingegen in Wasser auf und die Fasern verlieren ihre Bindung zueinander. Zudem können Mikroorganismen sie zersetzen.

 

Nassverfestiger – so bleibt Papier stabil

Was im Papierrecyclingprozess ein großer Vorteil ist, entpuppt sich im Cocktail in der Bar als Nachteil. Damit ein Papiertrinkhalm stabil bleibt, muss das Papier gegen das Zerfasern im Wasser nassfest ausgerüstet werden, sonst würde das Papier sich im Getränk mit der Zeit auflösen und die Cellulosefasern sich darin fein verteilen.

Dazu werden Epichlorhydrinharze bei der Herstellung des Papiers als Nassverfestigungsmittel zugesetzt.

 

Praktischer Tipp: Wieso sollte nur Toilettenpapier in die Toilette?

In Medienberichten zu Hamsterkäufen von Toilettenpapier während der Corona-Zeit im März 2020 war zu hören, dass in Ermangelung von Toilettenpapier Küchenrollen und Taschentücher als Alternativen gekauft wurden. Doch Vorsicht! Nassverfestiger werden u. a. auch in Küchenrollen und Taschentüchern verwendet, damit diese in nassem Zustand noch besonders reißfest sind und nicht zerfasern. Was viele jedoch nicht wissen: Materialien, die mit Nassverfestigern ausgestattet sind, sollten nicht in der Toilette entsorgt werden, da diese sonst die Toilette bzw. die Pumpen im Klärwerk verstopfen könnten.

Diese Harze können als Verunreinigung 1,3-Dichlor-2-propanol (1,3-DCP) enthalten. Aus den Restmengen von nicht in das Epichlorhydrinharz-Polymer eingebundenem Epichlorhydrin kann darüber hinaus durch Hydrolyse 3-Monochlor-1,2-propandiol (3-MCPD) gebildet werden. Sie stellen somit eine wesentliche Quelle für Chlorpropanole in Lebensmittelkontaktmaterialien dar. Die genannten Stoffe können in geringen Mengen auf Lebensmittel übergehen. [5]

 

Rechtliche Bestimmungen

Um zu beurteilen, ob die Verwendung z. B. von Strohhalmen aus Papier sicher für den Verbraucher ist, und damit den Anforderungen der VO (EG) Nr. 1935/2004 entspricht, wird die Empfehlung XXXVI des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) für „Papiere, Kartons und Pappen für den Lebensmittelkontakt“ herangezogen. Im Kaltwasserextrakt von Lebensmittelkontaktmaterialien aus Papier soll der Gehalt an 3-MCPD so gering wie technisch möglich sein. Ein Richtwert von 12 μg/L soll nicht überschritten werden. Unter Fußnote 10 wird festgelegt, dass 1,3-Dichlor-2-propanol (1,3-DCP) im Kaltwasserextrakt der Probe nicht nachweisbar sein darf (bei einer Nachweisgrenze von 2 µg/l) [6].

Fazit der Untersuchungen

Trinkhalme aus Papier werden als Alternativen für Kunststofftrinkhalme angeboten, um das Aufkommen von Einwegkunststoffabfall und dessen Eintrag in die Umwelt zu minimieren.

Um die Stabilität des Papiers im Wasser zu verbessern, werden die Papiere nassfest mit z. B. Epichlorhydrinharz ausgerüstet. Dadurch gelangen 1,3-DCP und 3-MCPD als Prozesskontaminanten in das Papier und können bei längerer Benutzung auf die Lebensmittel übergehen.

Laut BfR-Empfehlung XXXVI sollte der Gehalt in den Papieren deswegen auf ein technisch machbares Minimum reduziert werden. Erste Untersuchungen von Papiertrinkhalmen in 2019 haben jedoch gezeigt, dass gerade einmal die Hälfte (7 von 13) der Produkte diese technischen Richtwerte einhalten konnten. Das zeigt aber auch, dass es technologisch möglich ist, die Herstellungsprozesse so zu steuern, dass wenig Chlorpropanole im Papierprodukt enthalten sind, die auf Lebensmittel übergehen können. 6 der 13 Proben, die die Richtwerte überschritten, wurden als nicht verkehrsfähig beurteilt.

Wir empfehlen aus diesem Grund Getränke mit Papiertrinkhalmen nicht über längere Zeit stehen zu lassen.

 

Quellen

https://www.ua-bw.de/

[1] BfR: Fragen und Antworten zur Kontamination von Lebensmitteln mit 3-MCPD-, 2-MCPD- und Glycidyl-Fettsäureestern, FAQ des BfR vom 13. Juni 2018

[2] BfR: 3-MCPD-Fettsäureester in Lebensmitteln, Stellungnahme Nr. 006/2013 des BfR vom 3. April 2012

[3] EFSA: Update of the risk assessment on 3-monochloropropanediol and its fatty acid esters, EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM), EFSA Journal 2018;16(1):5083 (im Internet veröffentlicht unter https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.2903/j.efsa.2018.5083)

[4] WHO: Evaluation of certain food additives and contaminants, Sixty-seventh report of the Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (im Internet veröffentlicht unter https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/43592/WHO_TRS_940_eng.pdf)

[5] Bericht über die 110. Sitzung der Kommission/Expertengruppe für die gesundheitliche Beurteilung von Kunststoffen und anderen Materialien im Rahmen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes des Bundesinstitutes für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (Kunststoff- Kommission/Expertengruppe des BgVV) am 14./15. November 2001 in Berlin

[6] BfR: XXXVI. Empfehlung „Papiere, Kartons und Pappen für den Lebensmittelkontakt“, Stand 01.09.2017(im Internet veröffentlicht unter https://bfr.ble.de/kse/faces/DBEmpfehlung.jsp)

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